Freier Arbeitsplatz im Ausland steht betriebsbedingter Kündigung nicht entgegen BAG, Urteil vom 29.08.2013 (Az.: 2 AZR 809/12)
Ausgabe 15 | September 2013
Das BAG hatte sich unlängst mit der Frage zu beschäftigen, ob einer betriebsbedingten Kündigung die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in einer im Ausland gelegenen Betriebsstätte des Arbeitgebers entgegensteht.
Das beklagte deutsche Unternehmen unterhielt eine zweite Produktionsstätte in der Tschechischen Republik. Die Beklagte hatte beschlossen, ihre gesamte Produktion ins Ausland zu verlagern und lediglich die Verwaltung nebst „kaufmännischem Bereich“ in Deutschland zu belassen. Sie kündigte deshalb die Arbeitsverhältnisse sämtlicher in Deutschland beschäftigen Produktionsmitarbeiter aus betriebsbedingten Gründen. Eine betroffene Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage mit der Begründung, ihr habe durch den Ausspruch einer Änderungskündigung die Möglichkeit eines Wechsels auf einen freien Arbeitsplatz in der Betriebsstätte des Arbeitgebers in der Tschechischen Republik gegeben werden müssen.
Das BAG entschied, dass zwar eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung – ggf. im Wege der Änderungskündigung – eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten. Dies beziehe sich aber grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers, da die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes nur auf Betriebe anwendbar seien, die in Deutschland liegen. Aufgrund der Verlagerung ihrer Produktion in eine mehrere hundert Kilometer von ihrem Sitz entfernte tschechische Betriebsstätte habe die Beklagte keine Möglichkeit mehr gehabt, die Klägerin in einem inländischen Betrieb weiterzubeschäftigen. Umstände, unter denen ausnahmsweise eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu erwägen wäre, Arbeitnehmer im Ausland weiterzubeschäftigen, hätten nicht vorgelegen.
Mit der vorliegenden Entscheidung bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung, wonach das Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich nur auf Betriebe in Deutschland anzuwenden ist (BAG, Urt. v. 26.03.2009 – 2 AZR 883/07). Gleichzeitig deutet es allerdings an, dass es für die Zukunft Abweichungen von diesem Grundsatz für denkbar hält und Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland u.U. dann zu berücksichtigen sind, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb als Ganzen oder einen Betriebsteil unter Wahrung der Identität verlagert oder wenn die Entfernung zwischen dem geschlossenen Betrieb und der Betriebsstätte im Ausland kurz ist. Eine „Europäisierung“ des Arbeitsrechts auch insoweit erscheint also durchaus vorstellbar.