Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes während der Kündigungsfrist
BAG, Urteil vom 12.02.2025 (Az.: 5 AZR 127/24)
Ausgabe 58 | Februar 2025
Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses und unwiderruflicher Freistellung des Klägers schickte die
beklagte Arbeitgeberin diesem 43 Stellenangebote aus Jobportalen. Auf sieben davon bewarb sich der
Kläger, allerdings erst ab dem Ende der Kündigungsfrist. Für den letzten Monat der Kündigungsfrist
zahlte die Beklagte keine Vergütung mehr, da sie der Auffassung war, der Kläger sei verpflichtet gewesen,
sich während der Freistellung auf die ihm übersandten Stellenanzeigen zu bewerben.
Das BAG entschied, dass sich die Beklagte aufgrund der von ihr einseitig erklärten Freistellung im
Annahmeverzug befand und dem Kläger daher die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der
Kündigungsfrist schuldete. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst müsse sich der Kläger nicht anrechnen
lassen. Eine fiktive Anrechnung unterlassenen Verdienstes sei nur gerechtfertigt, wenn der Kläger
wider Treu und Glauben (§ 242 BGB) untätig geblieben wäre. Da § 615 Satz 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthalte, könne der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht
losgelöst von den Pflichten der Beklagten beurteilt werden. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass
ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers
unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend davon habe für ihn keine Verpflichtung bestanden, schon
vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Beklagten ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.