BAG AKTUELL:
Update: Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
BAG, Beschluss vom 13.09.2022
(Az.: 1 ABR 22/21)
Ausgabe 51 | Dezember 2022
Das BAG hat seine vielbeachtete Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung (siehe ARBEITSRECHTSREPORT
Nr. 50) nunmehr begründet. Danach sind Arbeitgeber nach unionsrechtskonformer
Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, ein System zur
Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das „objektiv und
verlässlich“ Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich Überstunden umfasst.
Es bestehe eine objektive Handlungspflicht, d.h. die Verpflichtung besteht bereits aktuell und bezieht
sich auf alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG.
Offen bleibt nach der Entscheidung des BAG, ob die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch bezüglich
der leitenden Angestellten gilt, was nach derzeit wohl überwiegender Auffassung allerdings verneint
wird.
Die Pflicht zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung beschränkt sich nach Auffassung des
BAG nicht darauf, den Arbeitnehmern ein solches System zur freigestellten Nutzung zur Verfügung
zu stellen. Der Arbeitgeber müsse hiervon auch Gebrauch machen, es also verwenden. Zudem müsse
die Arbeitszeit nicht nur erhoben, sondern auch aufgezeichnet werden.
Wie die Arbeitszeit zu erfassen ist, definiert das BAG hingegen nicht. Es hat in seiner Entscheidung
stattdessen ausdrücklich klargestellt, dass – solange vom Gesetzgeber keine konkretisierenden
Regelungen getroffen wurden – ein gewisser Gestaltungsspielraum bestehe. Die Zeiterfassung müsse
nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen, sondern könne beispielsweise – je nach
Tätigkeit und Unternehmen – auch in Papierform erfolgen. Zudem sei nicht ausgeschlossen, die
Aufzeichnung der betreffenden Zeiten an die Arbeitnehmer zu delegieren.
Im Falle einer Verletzung der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung drohen bis auf weiteres unmittelbar
keine Geldbußen, da Verstöße gegen § 3 ArbSchG keine Ordnungswidrigkeit nach § 25 ArbSchG
begründen. Mittelbar kommt eine Bußgeldfestsetzung jedoch in dem Falle in Betracht, dass die
Arbeitsschutzbehörde Auflagen zur Arbeitszeiterfassung (§ 22 Abs. 3 ArbSchG) erteilt, die sodann
nicht erfüllt werden.
Vertrauensarbeitszeitmodelle dürften weiterhin möglich sein, allerdings nur, soweit hierunter selbstbestimmtes
Arbeiten mit eigener, freier Zeiteinteilung verstanden wird und der Arbeitnehmer seine
Arbeitszeit selbst aufzeichnet.
Das Arbeitsministerium hat bereits angekündigt, im kommenden Jahr eine gesetzliche Regelung zur
Zeiterfassung auf den Weg zu bringen. Welche Anforderungen diese dann an Zeiterfassungssysteme
stellen wird, bleibt abzuwarten.