AUS DER RECHTSPRECHUNG:
Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes BAG,
Urteil vom 07.02.2024 (Az.: 5 AZR 177/23)
Ausgabe 57 | Oktober 2024
Während des Kündigungsschutzprozesses bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld. Die Agentur
für Arbeit unterbreitete ihm keine Arbeitsangebote, nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, sich nur auf
Zwang bewerben zu wollen und potenziellen Arbeitgebern mitteilen werde, dass er weiter bei seinem
letzten Arbeitgeber arbeiten wolle und ein gerichtliches Verfahren hierzu abwarte. Eigene Anstrengungen zur Arbeitsplatzsuche unternahm der Kläger zunächst nicht. Nach Ende des Arbeitslosengeldbezugs erhielt der Kläger Sozialleistungen und übte verschiedene geringfügige Beschäftigungen aus.
Nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage verlangte der Kläger Annahmeverzugslohn für die Zeit des
Kündigungsschutzprozesses, was der Arbeitgeber mit der Begründung verweigerte, der Kläger habe
böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen.
Nachdem der Kläger in den ersten beiden Instanzen noch weitgehend obsiegte, hob das BAG das Urteil
des LAG Baden-Württemberg auf und verwies die Sache zurück.
Nach der Entscheidung des BAG hat sich der Kläger gemäß § 11 Nr. 2 KSchG auf den Annahmeverzugslohn dasjenige anrechnen zu lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig
unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.
Die Beurteilung der Böswilligkeit erfordere eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls
vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung,
sich arbeitsuchend zu melden, könne ebenso berücksichtigt werden wie der Verstoß gegen die Pflicht
zur Suche nach einer neuen Beschäftigung. Eine formell ordnungsgemäße Meldung des Arbeitnehmers
als arbeitsuchend (§ 38 Abs. 1 SGB III) reiche nicht aus, um zumutbare Bemühungen zur Arbeitsbeschaffung zu belegen, sofern zugleich durch eigenes Verhalten veranlasst wird, dass die Agentur für Arbeit
keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet.
Zumutbare Arbeit werde zudem auch böswillig unterlassen, wenn sich Arbeitnehmer im Hinblick auf
die Zahlungspflicht des Arbeitgebers absichtlich mit einer zu geringen Vergütung in einem neuen
Arbeitsverhältnis zufriedengeben. Auch die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung nach einer
zuvor ausgeübten Vollzeitstelle könne als böswilliges Unterlassen zumutbarer Arbeit bewertet werden.
Da das LAG u.a. nicht ausreichend berücksichtigt hatte, dass der Kläger durch sein Verhalten gegenüber
der Agentur für Arbeit die Ursache für unterbliebene Vermittlungsvorschläge selbst gesetzt hatte und
zudem nicht geprüft hatte, in welcher Höhe und ab wann der Kläger in dem streitgegenständlichen
Zeitraum einen anrechenbaren Verdienst hätte erzielen können, verwies das BAG die Sache zur weiteren Klärung zurück an das LAG.