Auswirkung von Krankheit auf
Urlaubsansprüche in der Altersteilzeit
EuGH, Urteil vom 27.04.2023 (Az.: C-192/22)
Ausgabe 53 | Juni 2023
Nachdem ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt einen Teil seines Urlaubs nicht vor Beginn der zwischen
ihm und der Arbeitgeberin vereinbarten Freistellungsphase seiner Altersteilzeit nehmen konnte, verlangte er hierfür Abgeltung. Die Arbeitgeberin hielt dem entgegen, dass der Urlaubsanspruch gemäß
§ 7 Abs. 3 BUrlG am 31. März des auf das Entstehungsjahr des Urlaubsanspruchs folgenden Jahres
verfallen sei.
Sowohl ArbG als auch LAG wiesen die Klage ab und folgten der Argumentation der Arbeitgeberin.
Im Zuge der anschließenden Revision hatte das BAG Zweifel, ob § 7 BUrlG und dessen Auslegung
durch die Vorinstanzen mit dem Europarecht vereinbar ist und legte den Sachverhalt dem EuGH zur
Vorabentscheidung vor.
Der EuGH führte aus, dass § 7 BUrlG nicht mit dem Europarecht vereinbar sei. Dem Anspruch jedes
Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub komme als tragender Grundsatz des Sozialrechts der Union
nicht nur besondere Bedeutung zu, sondern er sei auch in Art. 31 II der Charta ausdrücklich verankert.
Der Jahresurlaub stelle hierbei nur einen der zwei Aspekte des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub
dar. Denn Art. 7 II der Richtlinie 2003/88 sehe vor, dass Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle
Vergütung haben, wenn es ihnen aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmöglich geworden ist, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dies solle verhindern, dass dem
Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit jeder Genuss des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, selbst
in finanzieller Form, verwehrt bleibt. Daher sei Art. 7 der Richtlinie 2003/88 in Verbindung mit Art. 31
II der Charta dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass der
Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer durch die Ausübung seiner Arbeit im
Rahmen einer Altersteilzeit erworben hat, mit Ablauf des Urlaubsjahres oder zu einem späteren
Zeitpunkt erlischt, wenn der Arbeitnehmer vor der Freistellungsphase wegen Krankheit daran gehindert
war, diesen Urlaub zu nehmen. Dies gelte auch bei langen krankheitsbedingten Abwesenheiten.