Fehlender Leistungswille im Rahmen
des Annahmeverzugs
BAG, Urteil vom 19.01.2022 (Az.: 5 AZR 346/21)
Ausgabe 50 | September 2022
Nachdem die als Projektmanagerin beschäftigte Klägerin zwei Kündigungen von der Beklagten erhalten
hatte, berief sie sich im Kündigungsschutzprozess u.a. auf den Vorrang einer Änderungskündigung
bezüglich einer von der Beklagten inserierten Servicekraft-Stelle. Daraufhin bot die Beklagte eine
Prozessbeschäftigung als Servicekraft an, was die Klägerin jedoch ablehnte. Auch ein Angebot zur
Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen lehnte die Klägerin unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht
an ihrer Arbeitsleistung aufgrund von ausstehender Vergütung wegen Annahmeverzugs
ab. Während des Rechtsstreits erhielt die Arbeitnehmerin zeitweise Arbeitslosengeld, dessen Höhe
sie nicht bezifferte. Nachdem sich die Kündigungen als unwirksam herausgestellt hatten, machte die
Klägerin Ansprüche auf ausstehende Vergütung wegen Annahmeverzugs geltend.
Nachdem das LAG dem Klagebegehren entsprochen hatte, war die Revision der Beklagten vor dem
BAG erfolgreich. Das BAG urteilte, dass der Annahmeverzug der Beklagten zwar durch keine der von
ihr angebotenen Beschäftigungen, jedoch mit dem Entfall des Leistungswillens der Klägerin geendet
habe. Dies sei zu dem Zeitpunkt geschehen, in dem die Klägerin ihr Zurückbehaltungsrecht unwirksam
ausgeübt habe. Denn für eine wirksame Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hätte die Klägerin den
von ihr geltend gemachten Anspruch genau beziffern müssen, um es der Beklagten zu ermöglichen,
die Forderung zu bestimmen und zu erfüllen. Dies hätte die konkrete Angabe der von der Agentur
für Arbeit erhaltenen Leistungen vorausgesetzt. Die unwirksame Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts
sei ein Indiz für das Fehlen des Leistungswillens i.S.d. § 297 BGB. Auch müsse sich
die Klägerin anderweitigen Verdienst als Servicekraft gem. § 11 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen,
da sie es böswillig unterlassen habe, eine ihr zumutbare Arbeit anzunehmen. Da die Klägerin im
Kündigungsschutzprozess die Stelle als Servicekraft ausdrücklich als zumutbar bezeichnet hatte, stelle
deren spätere Zurückweisung widersprüchliches Verhalten dar.