Darlegungslast im Überstundenprozess
LAG Niedersachsen, Urteil vom 06.05.2021
(Az.: 5 Sa 1292/20)
Ausgabe 45 | Juni 2021
Der Kläger, der bis zum 30.09.2019 als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten beschäftigt war, machte Überstundenvergütung
für einen Zeitraum von eineinhalb Jahren auf Basis der von der Beklagten erstellten technischen
Zeitaufzeichnungen geltend. Ob diese Aufzeichnungen zur Erfassung der vergütungspflichtigen Arbeitszeit erstellt
worden waren, war zwischen den Parteien streitig.
Die Vorinstanz hatte der Klage stattgegeben und zur Begründung unter Bezugnahme auf ein Urteil des EuGH
(C-55/18) ausgeführt, die Beklagte sei in europarechtskonformer Auslegung des § 618 BGB zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten des Klägers verpflichtet gewesen. Da sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, reichten nach Ansicht des Arbeitsgerichts die vorgelegten technischen Aufzeichnungen als Indiz für die geleistete Arbeitszeit
aus. Diese Indizien habe die Beklagte nicht, z.B. durch die Darlegung von Pausenzeiten, entkräften können.
Diese Auffassung teilte das LAG nicht und wies die Klage ab. Das Urteil des EuGH habe keine Aussagekraft
für die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess im Hinblick auf die Frage der Anordnung, Duldung
oder Betriebsnotwendigkeit von Überstunden. Dem EuGH komme keine Kompetenz zu einer Entscheidung über
Vergütungsfragen zu. Dies ergebe sich aus Art. 153 AEUV. Einen Anspruch auf Überstundenvergütung hatte der
Kläger daher nicht hinreichend dargelegt.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht hat das LAG in seiner Entscheidung zugelassen.